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Weibliche Montumentalität

Von Lisa Fischer

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Der öffentliche Raum wird nicht nur durch die einen willkürlich betreten, sondern durch Ideen anderer bewusst gestaltet. In diesen verbindet sich das statisch Bestehende mit der Bewegung von Gedanken. In Marmor gehalten warten sie auf die Betrachtung – wollen umgangen, umrundet, körperlich und geistig erfahren werden. So gesetzt sind derzeit die zwei Figuren der österreichischen Bildhauerin Ulrike Truger vor dem Künstlerhaus in Wien Momente des Augenblickes, gemeißelt aus der Beständigkeit. Über den Sommer markieren sie in der Mitte Wiens ein neues Zentrum, das Aufmerksamkeit hervorruft und verstanden werden will. Es ist die in Stein gehärtete Sprache der Notwendigkeit, die Ulrike Truger hier tonnenschwer deponierte. Daran  kann man nicht gedankenlos oder blind vorübergehen. Sie erzählt alte Geschichten und verpackt sie in neuen Kleidern. Sie berichtet vom Aufbruch und der ständigen Metamorphose. Sie lässt innehalten, um sich mit ihren torsohaften Gestalten als Ganzheit zu zeigen.

Es sind Großskulpturen, die Ulrike Truger immer wieder herausfordern, ebenso wie der öffentliche Raum, dessen Veränderung sie animiert. Bewusste Handhabung von Raumgestaltung darf nicht im Zufälligen stehen bleiben. Definierte Aufstellungsplätze werden von ihr neu geprägt, müssen durch bürokratische Instanzen und die zuständigen Magistratsabteilungen erst eine andere Wirklichkeit abbilden. Nur durch gezielte Komposition wird ein Dialog möglich. Erst im Wechselspiel zwischen Idee und Stein und in der Dialektik von Skulptur und Raum kann die Kommunikation zu den Betrachtenden hergestellt werden.

Es bedarf der Größe und der Weite, um einer Idee ihren Platz zu machen. Ulrike Truger ist in dieser, in Stein gebannten Monumentalität national und international einzigartig. Es sind zwei Frauengestalten, die den Raum vor dem Künstlerhaus neu formen. Die „Liegende“ und „Elisabeth“, die Kaiserin, das letzte Werk der Bildhauerin, dokumentieren hier nebeneinander unmissverständlich, wie bewegt die Seele des Steins zu sprechen imstande ist, wenn die Künstlerin bereit ist, sich mit ihr zu unterhalten. Das Produkt ist der Dialog zwischen den beiden, in Feinarbeit herausgemeißelt und standhaft gemacht. Ulrike Truger lässt sich vom Material verführen und führt dennoch gezielt ihre Schläge. Der Stein hat sein eigenes Leben, das sie mit dem ihren verbindet. Eine Individualgeschichte wird zum kollektiven Verständnis von Begrenzung und Freiheit weiblichen Aufbruchs. Da müssen Brüche nicht geglättet werden, da hinterlässt jeder Schlag seine Spuren.

 

Geburtsakt aus dem Stein

 

Die „Liegende“ entstand im Steinbruch selbst – in Salzburg. Hier wartete die Künstlerin auf ihr Material. Sie lässt sich von der Form finden, um ihr in der Folge ein Thema zu geben. Es ist wie ein Geburtsakt aus dem Stein, sagt sie. „Die Erdige entbindet sich gebärend aus der Erde.“ Dann erst beginnt der Prozess des Schauens, des Tastens und des Suchens nach Gestaltungsmöglichkeiten. Es sind die Grenzen des Materials bei denen sie verweilt. Das Thema entwickelt sich in der Interaktion. Da gibt es Bruchflächen, die aufregen und nicht durch die Handschrift der Künstlerin verändert werden dürfen. Da gibt es Grenzen, bei denen sie ansetzt, da mischt sich die Kraft des Materials mit der Kraft der Frau. Erst die Gestaltung macht den Kontrast, macht die Brüche sichtbar, ohne ihnen ihr Eigenleben zu rauben. Sie sagt:„Man muss konkret werden, damit das Verhaltene klar bleibt.“ Es liegt eine seltsame Magie im Umgang mit dem Gebrochenen, schwere Steine beginnen zu schweben.

Der Werdegang der Elisabethstatue folgte einem anderen Muster. Das Thema ist vorgegeben.

Der Stein, Marmor aus Carrara, musste erst gefunden werden, bevor Ulrike Truger zum Meißel griff. Dann begann der Prozess der Interaktion zwischen dem Marmor und der Idee. Im Wechselspiel wuchs die Aussage.

So zeigt sich Elisabeth von jeder Seite anders. Da schreitet die historische Person aus dem Marmor heraus und bleibt dem Stein doch verhaftet. Da sind die Konturen geglättet und doch auch als ursprüngliche Faserungen sichtbar gelassen. Da wird der Stein zum Symbol für die Existenz, aus der sich das Individuum herausschälen will. Es ist sein Kampf um die Freiheit, in dem es doch auch anderen Gesetzen verhaftet bleibt. Die Gestalt ist nicht unabhängig, sondern an die Form gebunden. Die Skulptur, die die Bildhauerin aus dem Stein entstehen lässt, wächst im Wechselspiel zwischen dem natürlichen Material und der kompositorischen Idee. Die Hände werden zu Mittlerinnen zwischen beiden. Wenn der Meißel den Stein bearbeitet, so tut er es mit dem Respekt und dem Feingefühl, die die dort wartende Gestalt erfordert.

Ulrike Trugers Interpretation der Kaiserin entspricht ihren eigenen Fragen: Zwischen Struktur und Freiheit steht die Bewegung, im Wechselspiel muss alles Machbare unvollendet bleiben. So sind ihre Figuren immer auch Torso. „Ich schreibe die Spuren der Bewegung“, sagt sie. Ein Innehalten zwischen den Schritten, kein Anfang – kein Ende und im Zwischenraum das Wesentliche einer unbeugsamen Kraft – festgehalten in ihrer Verletzbarkeit. Auch Steine können brechen. Das Instrument ist der Meißel, Maschinen lehnt sie ab, die Kommunikation mit dem Material muss eine direkte bleiben. Ulrike Truger arbeitet konsequent, um im Dialog zu bleiben. Die ursprüngliche Steingewalt entzieht sich ihr nicht, sie fordert heraus, sie prägt und wird einprägsam. Einzigartig wagt sie sich als Frau, als Künstlerin mit ihren Großskulpturen, die mehrere Tonnen wiegen, in die Weite des immer noch männerdominierten öffentlichen Raumes. Das ist ihre Radikalität, damit ist sie unbeugsam überzeugend, in ihren Aussagen politisch.

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